3. AIRTRAMP – MY GENERATION

Irgendwann in dieser Zeit in der ich Walter kennenlernte, begegnete mir auch ein junges Mädchen, mit der ich eine ganze Weile ziemlich viel Spaß hatte so viel, dass wir 1974 heirateten und kurz darauf ein Kind bekamen. Leider war es ziemlich schnell auch schon wieder vorbei mit dem Spaß, nicht wegen dem Kind, ganz im Gegenteil, sondern weil die Dame erst die flexible Seite ihres Herzens und dann einen Parteigruppenorganisator kennengelernt hatte. Ausgestattet mit viel Einfluss, sorgte dieser vor Gericht dafür, dass ich kein Umgangsrecht für das Kind erhielt, auch wenn das keine allzu schwere Aufgabe war, denn Rechte existierten quasi gar nicht für Staatsfeinde, wie man mich inzwischen nannte.
Das mich meine Frau 4 Jahre nach unserer Hochzeit verließ, war ein schwerer Schlag für mich. Ich trat Frauen lange ohne Selbstbewusstsein gegenüber und war dann froh, dass sich eine für mich interessierte. Aus dieser glücklichen Führung heraus, tat ich eigentlich alles, was sie wollte und noch ein bisschen mehr. Trotzdem reichte es nicht. Unerwartet war es daher dennoch.
Heute denke ich, dass sich von da an eine gewisse Bitterkeit in mir breit machte.

Meine Frau und ihr neuer Typ zogen mit der Kleinen nach Hermsdorf und so kam es, dass ich meine Tochter Maria erst 18 Jahre später richtig kennenlernen durfte.
Plötzlich stand sie vor mir, eine richtige junge Frau, die sich wunderte, warum sie drei Omas hatte und mir dann erzählte, dass ihre eigentliche Großmutter sie immer mal wieder mit zu einer anderen alten Frau nach Jena genommen hatte, meiner Mutter! Sie hatte mir nie erzählt, dass sie in all den Jahren immer mal wieder Kontakt zu meinem Kind hatte, so groß war ihre Angst, es könnte rauskommen und Ärger geben. Auch das war die DDR und deren Nachwirkungen.

Irgendwann fiel meiner Tochter auf, dass diese andere Oma ja vielleicht auch eine verwandtschaftliche Beziehung zu ihr haben könnte und so kam raus, was ihr nie jemand gesagt hatte, nämlich dass ich ihr Vater war. Sie wuchs im Glauben auf, der Parteittyp wäre ihr Vater. Da der jedoch auch nicht lange mode war und dann – zeitgemäß und zielorientiert – zunächst ein Handwerker und später ein Bonze an seine Stelle trat, konnte der es auch nicht aufklären. Ihre eigene Mutter war es dann, die sich in immer diffusere Geschichten verirrte und so machte sich die Kleine irgendwann auf den Weg, um die Wahrheit selbst herauszufinden. Inzwischen ist meine damalige Frau tot und ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Tochter Maria.

Anfang der 80er Jahre lernte ich dann meine zweite Frau kennen. Mit ihr lief vieles besser. Wir heirateten und bekamen zwei Kinder – 1983 wurde Katharina geboren und fünf Jahre später Konrad. Die Wohnung in dem Haus, dass mein Großvater 1909 gebaut hatte und das nun nach dem Tod meines Vaters meiner Mutter gehörte, war schon nach Katharina zu klein geworden. So nahmen wir meine Mutter mit in eine schöne große Wohnung mit 150 Quadratmetern und verschenkten das Haus an die Gebäudewirtschaft.
Auch so eine Sache, die heute ein bisschen merkwürdig klingen mag, aber damals eben so war: Die Mieteinnahmen winzig, der Sanierungsbedarf dafür enorm und der Wert des Ganzen folglich verschwindend gering – wir hatten keine Wahl, also weg mit dem Klotz am Bein!
Mit der Wende änderte sich dann aber, wie bei so vielen, beinahe alles für uns und damit auch für mich.
Ich ging zum Amt für Vermögensfragen, stellte einen Rückführungsantrag und weil ich bestimmte Sachen nachweisen konnte, bekam ich das Haus zurück, nahm einen großes Kredit von 240.000 Mark auf und begann, die Hütte selbst zu sanieren.
Etliche Firmen lachten mich und mein Budget aus, zu wenig Pinke-Pinke für so ein großes Haus, sagten sie. Der neue Wind war ihnen zu Kopf gestiegen, dachte ich. Aber ich gab nicht auf, fand in Laasdorf eine kleine feine Ostfirma und gemeinsam sanierten wir das Dach, 42 Fenster sowie ein paar Türen und am Ende blieb sogar noch etwas übrig, um den Dachboden auszubauen.
Mit der Fertigstellung der Sanierung bekamen wir in unserer schönen großen Wohnung neue Vermieter und eine saftige Mieterhöhung. In unserem eigenen, vermieteten Haus wurde zeitgleich eine Wohnung frei, so dass meine Frau mit den beiden Kindern zurückzog und ich mit meinem Freund „Käfer“ noch eine Weile blieb, um Abstand zu schaffen und damit klarzukommen, dass sie mich längst verlassen hatte.
Als Käfer ging, kam Fritz und schaffte es auch ein paar Jahre. Als auch der Dachboden im alten Haus fertig ausgebaut war, zog Käfer ganz oben ein und ich mit meiner Mutter ganz unten in die Wohnung. So konnte ich den Kindern nah sein und sie regelmäßig ins Bett bringen. Das funktionierte ein paar Jahre ziemlich gut. Auch als meine Frau und die Kinder dann zwei drei Straßen weitergezogen waren, hielten wir uns an die Vereinbarung und ich konnte meinen Kindern ein Vater sein.

Am Tag der Hochzeit war Rolf verschwunden, er hatte aber das gesammelte Geld um die Kutsche zu bezahlen. Wir mussten nocheinmal sammeln. Hinterher stellte sich heraus, daß Rolf (wiedereinmal) im Knast gelandet war.So gesehen, hat also in meiner zweiten Ehe schon eine ganze Menge sehr viel besser und sehr viel länger geklappt als in der ersten, auch wenn ich das am Anfang nicht gedacht hätte und am Ende nicht wahrhaben wollte. Aber da ich irgendwann aufgehört hatte, über bestimmte Dinge zu sprechen, Dinge wie zum Beispiel Gefühle, war es halt so und rückblickend auch verständlich. Dennoch war ich sehr deprimiert und eine ganze Weile schwer auszuhalten. Aber wie sagt man so schön: Zeit heilt letztlich alle Wunden. Heute bin ich meiner zweiten Frau sehr dankbar für vieles, vor allem für ihre Geduld mit mir, denn – auch das will ehrlich mal gesagt werden – mit den Kindern war ich immer ein bisschen überfordert. Kinder kommunizieren ganz anderes, da spielen Gefühle eine große Rolle und mit Gefühlen, ich ließ es ja schon anklingen, hatte ich schon immer große Probleme.
Das wurde auch nicht besser als meine Mutter starb. Wir wohnten in ihren letzten Jahren gemeinsam im Haus und teilten uns eine Wohnung. Irgendwann sagte sie, dass sie in ein Heim möchte; ich war voll berufstätig und sie zu lange allein. Wenn sie stürzte, lag sie Stunden auf dem Boden bis ich nach Hause kam. Das war für uns beide doof.

Mit fast 90 Jahren fuhr ich mit ihr durch Jena, wir sahen uns verschiedene Einrichtungen an. In einem Haus in Winzerla sah sie aus dem Fenster auf die Lobdeburg und meinte, hier würde es ihr gut gefallen. Und dann haben wir das so gemacht. Das ging eine ganze Weile gut, bis ihre Ersparnisse alle waren. Ich verdiente damals 1.600 Mark und war doppelt unterhaltspflichtig, Ich konnte nichts drauflegen. Als ihr Geld alle war, sagte sie: »Mach dir keinen Kopf Junge, ich sterbe jetzt einfach.«
Zwei Tage später rief mich das Heim an und meinte, meine Mutter wäre heute Morgen nicht mehr aufgewacht. Auf ihrem Konto waren genau zehn Euro übrig; sie hatte schon immer ein Händchen für außergewöhnlich gutes Timing.

Als ich ihr Konto kündigen wollte, verlangte die spaßkasse einen Erbschein. Ein Haufen Rennerei und Wartezeit, das war mir zu blöd wegen 10 Eus. Jenen Monat kam ein Brief mit Kontogebühren. Nach 3 Monaten waren die alle. Irgendwann schnappt ich die Zettel, knallte sie in der Bank auf den Tresen und verbat mir weiteren Papiermüll. Hätten sie auch einfacher haben können.

Hier habe ich noch ihr Tagebuch von 1996 eingefügt, wirft auch kein sehr gutes Licht auf mich