8. WALTER – DIE WUNDERBAREN JAHRE

Seit ich darüber nachdenke, woher ich komme, habe ich eine leise Ahnung, wohin mich mein Weg führt. Das ist so ein Spruch, den man gern sagt, wenn man denkt, aus der Geschichte etwas gelernt zu haben. Meine Lehre ist, dass ich viele Fehler gemacht habe. Manche Fehler erscheinen mir erst im Nachhinein als solche; manchmal ist auch schwer einzuschätzen, was richtig und was falsch war. Beruflich, gerade im Umgang mit den Leuten da draußen in der Sozialarbeit, würde ich heute einiges vielleicht anders machen. Manches ganz sicher sogar. Ich hatte zum Beispiel immer einen Krisenhelferhefter im Büro stehen. Das war ein ganz normaler Hefter, nur mit einer Flasche Schnaps und sechs Gläsern statt irgendwelcher Unterlagen. Den brauchte ich meistens dann, wenn Klienten auf Haschisch waren und munter werden mussten oder Leute, die auf Speed waren oder so, ganz gezielt also. Oder halt als Absacker nach einer Party, das hatte etwas Verbrüderndes, was ich damals sehr gut fand; zumal ich mit Berufstrinkern immer bestens zurecht kam. Diese Verbrüderung mit manchen Klienten hätte nicht sein müssen, hätte nicht sein dürfen. Ab und an fiel es mir schwer, die nötige Distanz zu wahren, was ich durch noch mehr Treffen und noch mehr Gespräche auszugleichen versuchte. Ich bereue auch, dass ich ein paar Jahre lang, viel zu viel trank und generell eine Menge Glück hatte, das mich der Alkohol nicht bezwingen konnte. Besonders ’81 und ’82 gab es eigentlich beinahe keinen Tag ohne Schnaps..

Dackel

An einem dieser trunkenden Tage im Juni 1981 war es ziemlich warm und ich wollte zum Skat, mit Dackel und Jörg Bernuth. Der wohnte 150 Meter weiter und war kein Kostverächter. Wir trafen uns, kloppten ein paar Runden und tranken den Wein aus, den Jörg besorgt hatte. Dann ging ich mit 50 Mark in den Konsum, holte eine Flasche Grünen Veltliner, die vier Mark kostete und bekam 96 Mark zurück. Vor lauter Glück kaufte ich kurz darauf noch einige Flaschen und wir hörten erst auf, als wir auch den allerletzten Schluck vernichtet hatten. Danach kamen wir auf die Idee noch zu mir zu gehen und uns im Hof mit noch ein paar anderen Freunden zu treffen. Ich hatte damals immer Weinballons am Blubbern, 25 Liter pro Stück, auch davon machten wir noch einen leer! Am Abend war ich so voll, dass ich mich hinlegte und bis zum nächsten Morgen durchschlief. Leider hatte ich nicht bemerkt, dass in der Nacht ein anderer Freund auf dem Dachboden versuchte, sich zu vergasen. Es war reiner Zufall, dass seine Freundin ihn fand, bevor er sein Ziel erreichte. So waren wir manchmal. Wir gaben uns ganz bewusst die Kante, zum Spaß. Wenn, dann richtig sozusagen. Das war letztlich auch eine Art von Betäubung, wenn man den Schmerz nicht mehr aushalten konnte. Und, es war mir eine Lehre! Seitdem achtete ich meist darauf, oft peinlichst genau, dass ich solche Abende so überlebe, dass ich wenigstens noch in der Lage war munter zu werden, falls etwas passiert.

Ria Brouwers

Eine Geschichte muss ich noch loswerden. Es war 1979 und ich stand freitags immer im F-Haus an der Theke, da war es nicht so weit zum Bier. Irgenwann ging ich mit Anette Luge (Lugi) nach hause und sie verbrachte sehr viel Zeit damit, mir Küssen beizubringen. Das ging wunderbar übern Sommer. Im Herbst trank ich an einem Freitag mit ein paar Freunden viel Bier. Als alle gegangen waren saß nur noch Ria herum, sie wartete auf ihre Ausreise nach Westberlin zum Vater ihres Kindes Timmy. Sie sagte: gehn wir jetzt bumsen oder soll ich abhauen. Es kam was kommen musste. Sie war die heißeste Frau die ich je kennen lerne. Drei Wochen später habe ich sie nach Berlin gebracht. Lugi fand das nicht toll und Silvester, auf dem Marktplatz brüllte sie: Kaktus, du Schwein, ich hasse dich. Sorry Lugi, tut mir leid. Hätte ich ein Bild von dir gehabt, wäre es da dieser Stelle zu sehen.

1991 lerne ich Sabine kennen, die mich anblinzelte. Da sie aber erst 17 war, habe ich darüber keinen Gedanken verschwendet. 1993 wurde ich schwach und wir landet in meinem Hochbett. Denken habe ich ausgeblendet. Sie half mir beim Umzug mit Käfer in die Meli 6. Trotzdem Spielte ihr Alter immer eine Rolle. Sie hatte eine Schwester, die gerade als Aupair aus Frankreich zurück war und einen Job suchte. Also wurde sie ABW für Kinderarbeit im Winzerclub. Zusammen mit Sabine trat sie öfers als Bauchtänzerin auf.
Über Silvester fuhren wir zusammen nach Rom. Losfahren, irgendwo parken, ne billige Pension finden funktionierte gut. Es waren 10 Grad und Sonne und wir grunzelten zusammen duch Rom, Kolosseum, Katakomben, Pilgerpfade, irgendwenn streikten meine Knöchel und ich musste kürzer treten. Silvester wollten wir noch in Rom verbringen. Als die Knallerei los ging, gingen auch hunderte Alarmanlagen los und Tauben fielen vom Himmel wie Schnee. Kurzfristig entschieden wir, zurück zu fahren, was wir auch taten.
Leider hatten wir kein Geld mehr für die Maut. Wir blieben stehen bis die Schranke hoch ging. Wir fuhren aus der Sonne in den Schnee zurück. Sommer darauf fuhren wir mit Blase und ein paar Berlinern zum segeln auf dem Eiselmeer in Holland. Auf der Rückfahrt stieg in Dessau der Motor von meinem Passat aus. Eine Woche Mietwagen. Seit Sabine meinen Passat von Rotzi hatte besprayen lassen, war er mir ans Herz gewachsen. Als er wieder fuhr, gingen wir Steine Sammeln, denn ich wollte eine Natursteinmauer in meinem Hof bauen. Zwischendurch organisierte sie sich eine kleine Wohnung im Südviertel und legte sich ein Haustier zu: Einen Chinchilla Ansonsten passierte nicht mehr viel. 1994 Sommer Fuhr sie eine Woche in die Türkei. Es kam wie es kommenm musste, sie verliebe sich in einen Türken, der 20 Jahre jünger war as ich. Somit hatte sich das erledigt.

Mit Christine habe ich es geschafft, 4 Jahre in einer Beziehung zu überleben. Es war 1999, ich saß vor meinem Fernseher und es klingelt. Draußen stand mein Freund Käfer und Christine. „kaktus, die Christine hat zuviel getrunken und muss ihr Auto stehen lassen, kann sie bei dir übernachten? Sorry, am Anfang wollte ich mich auf nichts einlassen. Es war wie immer kompliziert. Sie hatte einen zweijährigen Sohn Wolfi. Sein Vater der ehemalige Gitarrist der Vereinigten Chaoten (1988), natürlich geschieden. Christine war Künsterin, ihre Band hieß Anima Lunatis und sie hat 1998 den Hugo mit Airbrush gestaltet. Zu dieser Zeit hatte sie eine Beziehung mit Ringo, dem zweiten Drummer von Airtramp (Jena ist ein Dorf), von dem sie sich trennte, weil er ihr keinen Raum lies. Aber er storkte sie seit der Trennung. Christine entferne ihn 1999 aus ihrer winzerlaer Neubauwohnung. Petra zog um die Ecke und Christine zog in ihre Wohnung ein. Ich übernahm einen Teil der Miete und glaube, dass es so funktionieren könnte. Sie hielt sich mit Gelegenheits-Jobs über Wasser und jedes Jahr finanzierte ich einen Urlaub, der uns in in einige Länder brachte. Da sie aus ihrer ersten Ehe noch einen Sohn (Felix) hatte, kam der auch mit. Also, Christine, Felix, Wolfi und natürlich mein Sohn Konrad. Wir fuhren mit meinem T4 nach Venedig und dann mit der Fähre nach Corfu und dann schlugen wir die Zelte auf, wo es uns gefallen hat. Aus dem Hugo hatte ich ein Schlauchgoot mit und wie fuhren an einem Tag zu einen kleinen Insel und hätten es durch eine Ungünstige Strömung fast nicht zurück geschafft. Und natürlich war das Orakel von Delphi eine Pflichtveranstaltung, denn Christine hatte ein Faible dafür. In Tschechien machten wir auch 1 Jahr später gemeinsam mit allen Kindern eine Woche Urlaub.

Ein anderes Jahr baute ich ein Bett in meinen Bus und wie fuhren alleine über Österreich nach Kroatien. Als ich 2004 nach Malaysia mit „Verge on Reason“ fuhr, und zurück kam, verabschiedete sich Christine aus der Beziehung. Jetzt ist die verheiratet, hat noch eine Tochter bekommen und ich glaube, es war das Beste für Sie. Wolfi, der 2008 als Punk bei einer Musikerparty auftauchte, erklärte bei Rauchen, das ist der, der mal mit meiner Mutter gefickt hat. In der Zwischenzeit ist er Schauspieler und Tontechniker geworden und es macht mir Spaß, ihn auf Facebook zu treffen. Übrigens hat sie auch meine Tattos entworfen und ich habe Monate im Studio zugebracht. Das Red Bone Studio gehörte einem Rocker und die 2 hacker waren ein ehemaliger Punk aus Weimar, den ich von Konzerten in der JG kannte und ein ehemaliger „Rechter“,der wenn ich gehackt wurde auch mal zu „linker“ Musik im Studio herum tanzte. Nach meinem Schlaganfall 2015 haute ich als der Klinik ab, weil ich Konrad mit seiner band auf dem Jahnplatz sehen wollte. Da stand der rum und ich frage ihn: hättest du vor 30 Jahren vorstellen können, auf so einer Zecken-Party rumzustehen? Er lächelte.

Oder Molly, ich ging im Sommer 1980 mit einer Gruppe wandern, Molly und ihr Freund Uwe war auch dabei, bei ihnen knisterte es im Gebälk ihrer Beziehung und irgendwann redete sie nur noch mit mir. Wir liefen irgendwann in der Meli ein und es gab ordentlich Wein. Uwe ging ins Gästezimmer schlafen und Molly landete natürlich im Hochbett mit mir. Am nächsten Morgen war Uwe weg und nach 3 bis 4 Monaten knisterte es auch in meinem Gebälk und ich empfahl ihr, auf dem Dachboden ein Zimmer zu nutzen, wo ich schon immer Freunde habe wohnen lassen. Unter Tränen funktionierte es mehr schlecht als recht, bis sie ein paar Monate später jemanden auftat, mit dem sie jetzt verheiratet ist. Wahrlich, ich habe mich dabei nicht mit Ruhm bekleckert. Übrigends hat nicht nur Geige 1974 auf dem Dachboden gewohnt, sondern auch Harzer und Käse 1977 und Henna 1987 und Michaela 1985. In meiner Wohnung auch noch Bohne und Kai aus Boizenburg. Geige wohnte drei Monate auf dem Dachboden, dann zog er aus nach Burgau und brachte sich wenig später um. Er hinterließ einen Zettel: Ich hoffe, ihr seht an meinem Beispiel wie sinnlos ein Selbstmord ist.

Auerbach hat bei Bildung & Forschung in Berlin bei der Gauck Behörde gearbeitet und von kontaminierten Stasiakten infiziert wurde und jetzt Blutkrebs hat. Die Akten wurden danach in einem Bergwerk eingelagert. Auch in Sachen Liebe habe ich, auch wenn ich nicht gerade aus einer elterlichen Pole Position diesbezüglich kam, einige völlig unnötige Fehler gemacht, die mir, wenn ich heute so darüber nachdenke, mehr Leid tun, als ich auszudrücken fähig bin. Besonders wenn es um Gefühle geht, leuchten bei mir einfach weniger Kerzen auf der Torte als bei anderen, worunter insbesondere die Frauen, die mich ein Stück auf meinem Weg begleiteten, ehe sie schreiend von dannen rannten, aber auch meine Kinder, sicher sehr litten. Doch es gab da dieses drückende Gefühl zwischen meinem Herz und meinen Bauch, dass ich aus meiner Kindheit schon kannte und sich immer dann einstellte, wenn ich von der Schule kam und schon wusste, dass der Alte mich verdreschen wollen würde. Später kam es immer dann, wenn ich verhaftet wurde, im Knast oder bei Verhören saß und nicht wusste, ob und wie ich wieder rauskommen würde. Also immer, wenn ich Willkür ausgesetzt war. Das waren wohl die schlimmsten Momente meines Lebens.

Überleben ließ mich meine Wut; sie beschützte mich vor Verzweiflung und Lethargie. Überleben ließ mich aber auch meine Fähigkeit Hilfe anzunehmen, besonders die von Walter Schilling, der wohl der einzige ist und war, zu dem ich wirklich aufsah. Natürlich hätte ich weglaufen können oder rübermachen, wie man sagte. Aber Wegzulaufen war für mich nie wirklich eine ernsthafte Option. Zum einen weil ich mehr Angst vor der Fremde hatte als mir lieb war und zum Anderen, weil ich nach der Devise lebte: Bleibe im Lande und wehre dich täglich! Lange Zeit und in jeder Beziehung, die ich führte, hatte ich den Traum, gemeinsam mit jemandem alt werden zu können, den ich wirklich liebte. Und immer wenn dieser Traum platzte, war dieses Drücken in mir wieder da, dass ich dann meist in Schnaps zu ertränken versuchte.

1992 trafen wir uns mit der Redaktionsgruppe des Telegraph aus Berlin mit Walter bei Kuli in Schmölln. Wir wollten die Stasivorwürfe thematisieren, die kurz nach meinem Ausstieg auftauchten und von sehr unterschiedlichen Leuten thematisiert wurden. Da waren die eeinst staatstragenden Machtgehilfen von Polzei und Staatssicherheit, Leute die mit mir ein Problem hatten bis hin zu den Neonazis, weil sie mich im Winzerclub sabotieren wollten. Dazu gehören auch die linken Faschos aus der JG. Alle die mich kennen und erlebt haben sind noch nie auf diese Schauergeschichten hereingefallen.

Am 19. September 1973 verstarb mein Vater und ich zog mit Heike zu meiner Mutter in die Meli 6. Sie überlies uns ihr Schlafzimmer und schlief fortan im Wohnzimmer. Dann wurde Heike schwanger und wir zogen auf den Dachboden. Maria kam am 17.6.1974 zur Welt, dem gleichen Tag wie ihr Vater. Als ich von der Schwangerschaft erfuhr, war ich erstmal pappensatt, ich konnte mir nicht vorstellen, wie es wie es funktionierten könnte. Trotzdem lernte ich zu füttern und zu windeln und entwickelte eine Beziehung die 1977 zuende war, weil Heike ein Verhältnis mit einem Parteigruppenorganisator anfing. Mir blieb nichts weiter übrig, als den Dachboden zu verlassen und ich fand Unterschupf in einer WG, Gorkistrasse 1, Hinterhaus. Heike sorgte für ein Scheidungsurteil mit einem Umgangsverbot mit meiner Tochter Maria, da einem Staattsfeind nunmal kein Umgang zusteht. In der Parterrewohnung wurden 2 Zimmer frei und ich zog in der meli wieder ein.

Dann kam 1982 die Beziehung zu Petra. Auch da schaffte ich es, dass sie schwanger wurde, was mich auch wieder total aus der Bahn warf. Das Erste kind durfte ich nicht sehen, nur löhnen, ich wollte kein weiteres Kind. Das führte zur Trennung, doch als Katharina 1983 geboren war, fand ich die Trennung bescheuert und Petra gab ihre Wohnung auf und zog in die Meli ein. Das Gäste und Weinzimmer wurde zum Kinderzimmer und meine Mutter freute sich. Auch zu Katharina entwickelte ich eine Beziehung. 1987 wurde Petra wieder schwanger und diesmal freute ich mich, wir hatten nur das Problem, dass die Wohnung zu klein war. Wir gingen auf die Suche nach einem Wohnungstausch. Wir fanden 2 Familien, die sich verkleinern wollten. Wir zogen 1988 in die Kollwitz Strasse 12, 2. Etage, 150 m². Hier wohnten wir bis 1991 bis Petra die Scheidung einreichte. In der Zwischenzeit war Konrad 2 Jahre alt. Ich war am Boden zerstört. Im März 91 begann ich im Winzerclub einen Job und Wolfram überlies mir seine Wohnung gegenüber Beate Uhse. Da wohnte ich bis in der Meli eine Wohnung frei wurde in die Patra mit den Kindern ziehen konnte. Ich tat mich mit Käfer zusammen und wir wohnten in der Kollwitz bis 93, da gab es eine Mieterhöhung und ich baute den Dachboden für Käfer aus. Dann zogen wir 1993 wieder in die Meli. Ich mit meiner Mutter ins Parterre und Käfer auf den Boden. Ab jetzt gab es wöchentlich 1 bis 2 Tage, andenen ich die Kinder Nachmittags betreute und ins Bett brachte. Mit Katharina gestaltete sich das schwierig. Hausaufgaben: kein Bock, aufräumen: denkste! Petra zog ein paar Jahre später in eine Wohnung um die ecke. Katharina war in der Zwischenzeit in der JG gelandet. Schulschwänzen war an der Tagesordnung bis sie im betreuten Wohnen des Jugendamtes landete. Doch auch hier war sie immer kurz vorm Rausschmiss.

1992 gad es eine Dienstberatung in der kollwiz, an der mein Chef teilnahm. Käfer baute einen Joint, den rauchte ich mit ihm zusammen. Unser Chef sagte daraufhin: ihr müsst euch keine Zigarette teilen, ich hab noch welche. Später lachten wir und gingen auf ein Bier und noch einen Joint in den „KuKuk“ Wir saßen auf der Treppe als plötzlich der Kirchenchor in der JG begann zu trällern. Ich sagte: wie entsteht Dead Core: na wenn du einen Molli in einen Kirchenchor wirfst. Wir lachten uns halb tot und gingen schlafen.

Ein Freund von mir hatte ein Projekt mit sogenannten Crashkids in Sibirien organisiert. Ich frage Katharina ob sie Bock auf Urlaub hat und es funktionierte. Ein anderer Freund, Kuno, begleitete das Projekt mit einem Fimteam. In Russland lernte sie viel von Land und Menschen. Ihre Betreuerin, eine liebe aber rustikale Kampfemanze hatte daran großen Anteil. Sie brachte sich ihren ersten Hund mit, eine weiße sibirische Laika und hatte jetzt noch ihren Schulabschluss vor sich. In Kahla fand ich einen Schulleiter, der sich ihrer annahm und sie schaffte tatsächlich ihre 10. Klasse. Leider lerne sie in Kahla einen Typ kennen, ein Looser, Dummschwätzer & Wutbolzen vor dem Herrn namens Stefan. Sie wurde Schwanger und brachte 2006 Lewin zur Welt. Stefan zog mit ihr auf dem Dachboden In der Meli ein, verabschiedete sich aber 2 Jahre danach und machte einer anderen Mutti 2 Kinder. Unterhalt-denkste. 2016 lerne sie wieder einen Arsch kennen, der sie nach der Geburt von Anton verlies, nachdem er 2 Türen zerdrochen hatte. Das machte zwar Ihr Leben nicht glücklicher aber einfacher.

Maria heiratete 2002 Ronny aus Pfaffroda, der ihr zwei Kinder machte: Viktoria und Maximilian. Allerdings hiel er nicht viel von Kindererziehung, Vicky war sein Sternchen und Max der Verlierer, der irgenwann in einem betreuten Wohnen landete. Maria schaffte den absprung und ließ sich vor drei Jahren scheiden. Gottseidank müssen die Kinder nicht mehr bei ihrem Vater leben, sie sind beide in Ausbildung.-

Ein Grund, warum ich an der Frauenwelt stets scheiterte, war sicher meine Unfähigkeit über Gefühle zu sprechen. Als Kind wurden sie im Rahmen von Zucht und Ordnung unterdrückt, als dicklicher Außenseiter in der Schule hielt ich mich zu cool für Gefühle und als ich mich in meiner ersten Ehe auf dieses emotionale Chaos einließ, bekam ich einen Arschtritt vom Allerfeinsten. Dann kam die Geschichte mit Dackel dazu und es war ganz vorbei. Im Kern führte das erst zu Verzweiflung und dann immer mehr zu einer selbstgewählten Einsamkeit. Ich hatte Angst verletzt zu werden und noch mehr davor, jemandem etwas in die Hand zu geben, daß mich angreifbar machen würde. Wer keine Beziehungen führt geht Schmerz aus dem Weg, es war also auch relativ bequem. So bequem, dass ich einige Jahre über Bord warf und mich schlichtweg verkroch. Die Rettung war weiblich und brachte das Glück mit, mich im stattlichen Alter noch einmal richtig schwer zu verlieben, was eine Welt für mich eröffnete, die ich kaum mehr für möglich hielt.
Irgendwann 1980 lerne ich sie in der JG kennen, sie kam aus Rostock und war auf Klassenfahrt in Jena. Nachts gab es noch eine Nachtwanderung zum Bismarckturm. 1996 führe mich mit mit 8 Leuten aus der JG nach Rostock und natürlich konnten wir bei ihr übernachten. Danach radelte sie noch 2 Tage mit uns mit und es gab einen Platz in meinem Zelt. 1987 & 88 besuchte sie mich ab und zu in Jena. 88 feierte sie ihren Abschied in der JG in eine Ehe. Danach habe ich nie wieder etwas von ihr gehört bis 2010 das Telefon klingelte. Lang Rede kurzer Sinn, wir telefonierten sehr oft. Ihr Sohn Jannes war 8 Jahre alt. Irgendwann sagte ich ihr, dass ich sie seit 1986 liebe. Dann kam eine Mail, sorry, aber Freunde lieben sich nicht. 3 Wochen lang gab es viel Wodka, den mir meine Wladimirer Freunde immer mitbringen und am 18.1.2010 kam eine Mail, ich arbeite an meiner Scheidung. Das Wochenende darauf traf ich mich mit 90 Freunden aus ganz Deutschland in Prag im Botel Racek. Das Wochenende trank ich viel Sliwowiz aus Freude.

Dann das erst Treffen in einem Hotel in Mecklenburg, wo ich an einem Film für den DFB arbeitete. Dann noch ein Wochenende in Köln zur Aufführung des Theaterstücks “ Der Dritte Weg“ über den Oktoder 1989 in Jena. Erst im Juni trafen wir uns in einem Häuschen im Biotop Vessertal und seitdem alle paar Wochen ihr Berlin in ihrer neuen Wohnung oder sie kam nach Jena. Das letzte Mal verbrachten wir auf dem Stutenhaus in Vesser 2014. Die Beziehung hatte keine Zukunft, weder für sie in Jena oder mich in Berlin. Zum 60sten Geburtstag schenkte sie uns eine Woche Tel Aviv und Jerusalem. Über Airbnb besorgte ich ein Zimmer in Tel Aviv bei einem Ehepaar, die sehr gastfreundlich waren und zu meinem großen letzten 60sten Geburtstag im Hugo machte Juliane die Fotos. Beim Häuten der Zwiebel, wie man so schön sagt, treten also allerhand Dinge zu Tage, durch die ich immer wieder an mir zu zweifeln beginne, auch wenn ich weiß, dass man rückblickend so ziemlich alles in Frage stellen kann und diese Was-wäre-wenn-Spielchen niemandem auch nur ein Stück weiterhelfen. Was ich aber sagen kann ist, dass ich wirklich froh bin, nie so geworden zu sein, wie mein Vater war. Und nun, wo diese meine Zeilen wie meine Tage langsam weniger werden, hoffe ich, mit diesen Soundtrack meines Lebens eine Grundlage geschaffen zu haben, die ein Verstehen, warum die Dinge so gekommen sind, dem ein oder anderen möglich machen. Da ich nicht im Stande war, mir einen besseren, treffenderen letzten Gedanken auszudenken, verabschiede ich mich mit dem eines anderen.

In diesem Sinne, ich.

 

 

 

Dies waren die letzten Dinge.

Eins nach dem anderen

werden sie verschwinden

und nie zurückkommen.

Ich kann dir erzählen

von denen,

die ich gesehen habe,

von denen,

die es nicht mehr gibt,

doch wird kaum Zeit dafür bleiben.

Paul Auster, Im Land der letzten Dinge.